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Der Mönch der seinen Ferrari verkaufte

Was zählt auf dem Weg des Lebens eigentlich wirklich?
4. November 2024 durch
Corazon de Cacao - Andreas (Lix)
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Nun habe ich zwar keinen Ferrari, den ich verkaufen könnte, noch bin ich ein Mönch, doch ich sehe diesen Titel als Metapher, die mir einfach gut gefällt. Oder anders ausgedrückt: Was zählt auf dem Weg des Lebens eigentlich wirklich?

Ich war selber Teil eines Denken das uns täglich in den Wettkampf um Fortschritt, Erfolg und Wachstum treibt. Darin liegt für mich eine Art kollektive Amnesie über den Fragen, die uns im Kern ausmachen: Wer sind wir? Wozu sind wir hier? Während die Welt und auch ich in der Vergangenheit sich im Rausch des ständigen „Höher, Schneller, Weiter“ verstrickt, offenbaren Kulturen wie die der Maya einen anderen Weg – einen Pfad, der uns zurück zu einer radikalen Verbindung mit der Erde, zu einer Ökologie der Verbundenheit führt. Die Maya wussten um den Wert des Lebens in Balance, sie verstanden, dass sich wahre Erfüllung nur im Einklang mit dem Ganzen erreichen lässt.

Als moderne Menschen glauben wir doch das wir frei sind. Doch letztendlich bleiben wir  gefangen – in unseren Dingen, in unseren Konstruktionen von Reichtum und Erfolg. Der „Ferrari“, dieses Symbol des äußeren Erfolgs, das so oft als Ziel und Sinn des Strebens gilt, wäre in den Augen der Maya ein Ballast, der die innere Freiheit blockiert. Die alte Weisheit des B’en, dieses bedeutende Symbol im Maya-Kalender, ist ein Aufruf zur Rückkehr, zur Reise nach innen. Es ist die Einladung, unsere wahre Stärke zu finden, nicht im Haben, sondern im Sein.

Die verborgene Kraft des Seins

Die Maya-Kultur zeigt zumindest mir einen Weg, der nicht in der Akkumulation von Besitztümern liegt, sondern in der Entfaltung meines inneren Reichtums, ein Reichtum von dem ich überzeugt bin, dass er in jedem von uns schlummert. B’en ist der Tag im Tzolk’in, an dem die Stärke und Weisheit des Einzelnen in den Fokus rücken. Er fragt uns: Was braucht es wirklich, um zu einem „guten Leben“ zu gelangen? Diese Frage zwingt uns, die Illusionen des materiellen Wohlstands zu durchschauen und den Blick auf die Wurzeln des Lebens zu richten.

Auf den Kakaofeldern in Santa Maria de Cahabon, tief in den Bergen Guatemalas, erleben wir diesen Ansatz Tag für Tag. Hier leben und arbeiten wir Seite an Seite mit indigenen Gemeinschaften, und es geht um weit mehr als wirtschaftlichen Erfolg. Es ist ein Streben danach, das Leben selbst zu ehren, ein Kakao nach altem Wissen anzubauen und zu ernten, und so eine Art von Wohlstand zu schaffen, die sich weder auf Bankkonten noch in Renditen ausdrücken lässt.

Der neue Weg: Vom Haben zum Sein

Diese Felder sind für mich nicht nur Produktionsstätten, sondern Schulen des Lebens. Die Kakaoernte, das Wissen um die Heilkraft der Pflanzen und die alten Rituale sind für mich und die Gemeinschaft hier eine Brücke in eine Zeit, in der das Leben noch voller Bedeutung und Verbundenheit war. Die Mayas verstanden die Erde nicht als Ressource, sondern als lebendiges Wesen, das in den Kreisläufen des Seins eingebettet ist. Sie erkannten, dass der wahre Reichtum in der Fähigkeit liegt, das Leben in seiner Ganzheit zu spüren – eine Weisheit, die wir in unserer modernen Welt fast verloren haben.

Der „Mönch, der seinen Ferrari verkaufte“, steht also als Symbol für all das, was ich und meiner Überzeugung nach auch viele andere ablegen müssen, um wieder wahrhaft menschlich zu sein. Auch ich mag nicht alle materiellen Besitztümer loslassen, doch die Frage bleibt: Was in unserem Leben ist uns zum Hindernis geworden? Welche Lasten tragen wir, die uns daran hindern, in Harmonie mit dem Ganzen zu sein?

Eine Einladung zur Umkehr

Diese Arbeit in Guatemala ist für mich nicht nur ein Projekt, sondern ein Prozess, ein Weg der Verwandlung, der mich selbst mehr und mehr dazu bringt, die „Ferraris“ in meinem  Leben loszulassen und mich dem Kreislauf des Seins zu widmen. Diese Entscheidung, den Fokus weg vom materiellen Erfolg hin zur Bewahrung und Pflege der Erde und ihrer Gemeinschaften zu richten, könnte der Weg in eine neue Art des Miteinanders sein. Ein Pfad, der nicht nur dem individuellen Wohl dient, sondern das Wohl aller im Auge behält.

Der „Ferrari“ unserer Zeit mag nicht für jeden gleich aussehen, doch das Streben, das er symbolisiert, ist das Gleiche: ein Streben, das uns von uns selbst und unserer Welt entfremdet. Die Einladung der Maya, sich auf den Weg des B’en zu machen, zeigt uns, dass wir eine Wahl haben. Vielleicht liegt darin die größte Freiheit: Die Wahl, wieder Teil des großen Ganzen zu werden, die Wahl, das Leben, die Erde und die Gemeinschaften, die sie formen, als das zu erkennen, was sie wirklich sind – heilig, lebendig und in uns allen verwurzelt.

Corazon de Cacao - Andreas (Lix) 4. November 2024
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