Ich kann dem Leben niemals entfliehen, niemals.
Kennst du das? Dieses leise Ziehen in der Brust, das sagt: Lauf weg!? Weg von der Arbeit, die mich nicht erfüllt. Weg von Beziehungen, die nur noch leer sind. Weg von dem Chaos in meinem Kopf, das sich einfach nicht sortieren will. Manchmal spüre ich sogar den Drang, an einen anderen Ort zu flüchten – in die Berge, ans Meer oder in ein anderes Leben. Irgendwohin, wo alles leichter ist, klarer, freier. Doch tief in mir weiß ich: Ich kann dem Leben niemals entfliehen. Niemals.
Wohin ich auch gehe, ich nehme mich mit
Ich habe als Mensch die unglaubliche Fähigkeit, äußere Umstände zu verändern. Ich kann meinen Job kündigen, meinen Partner verlassen, mein Hab und Gut verkaufen und neu starten. Doch was passiert, wenn ich nach Wochen oder Monaten merke: Das Gefühl ist immer noch da. Egal wie weit ich reise, egal wie viele neue Erfahrungen ich sammle – ich nehme mich immer mit.
Die Unzufriedenheit, die Rastlosigkeit, die Angst vor dem Nächsten und die Trauer über das Vergangene: Sie sind ein Teil von mir. Ich kann sie nicht einfach zurücklassen, weil sie in meinem Inneren wohnen. Das Leben ist kein äußerer Feind, vor dem ich fliehen kann. Es ist mein Spiegel.
Warum wollen wir eigentlich manchmal dem Leben entfliehen?
Ich zum Beispiel wollte dem Leben entkommen, weil ich glaubte, dass ich nicht genug bin. Nicht stark genug, nicht frei genug, nicht gut genug. Ich hatte Angst, die Schattenseiten zu sehen – die ungelösten Konflikte, die alten Verletzungen und die tiefen Fragen, die ich so lange ignoriert hatte:
- Bin ich auf dem richtigen Weg?
- Was will ich wirklich?
- Warum fühle ich mich so allein?
Und es war natürlich bequem mich abzulenken, anstatt Antworten zu suchen. Ich flüchtete in Arbeit, in soziale Medien, in Konsum oder in neue Projekte. Heute weis ich: Flucht ist niemals Lösung. Sie ist nur ein Aufschub.
Dem Leben begegnen statt davonlaufen
Hier in Guatemala habe ich aufgehört dem Leben zu entfliehen, hier habe ich gelernt, ihm zu begegnen. Mit allem, was es mir zeigt. Ich setze mich der Stille aus. Ich nehme mir Zeit für mich, ohne Ablenkung. Und natürlich bleibt die Unsicherheit, was kann hochkommen? Welche Gedanken? Welche Gefühle? Ja, das klingt vielleicht unangenehm, aber es ist für mich der einzige Weg, wirklich anzukommen – bei mir selbst.
Das Leben stellt dich vor Herausforderungen, nicht um dich zu quälen, sondern um zu lehren. Schmerz zeigt , wo Heilung gebraucht wird. Sehnsucht zeigt , wo ich noch nicht ganz lebe. Und die Momente, in denen ich vor mir selbst davonlaufen will, sind oft die Momente, in denen Wahrheit wartet.
Aufhören zu fliehen
Wenn ich merke, dass ich meinem Leben entkommen will und das geschieht natürlich immer noch, halte ich einen Moment inne. Ich atme tief ein und aus. Ich frage mich ehrlich:
- Wovor laufe ich gerade weg?
- Was versuche ich nicht zu fühlen oder zu sehen?
- Was passiert, wenn ich bleibe?
Der erste Schritt ist, mutig hinzuschauen. Ich traue mich, in meinen Spiegel zu blicken. Oft ist das, was ich zu sehen glaube, viel weniger beängstigend als die Flucht davor.
- Ich verbringe Zeit mit mir selbst – in Stille, beim Schreiben, beim Meditieren. Ich fühle, was da ist.
- Ich bin radikal ehrlich zu mir. Was fehlt mir wirklich? Was macht mich unglücklich?
- Ich nehme an, was ich finde, ohne Urteil. Jeder Schmerz, jede Angst, jede Sehnsucht gehört zu mir. Es sind Botschaften, keine Feinde.
Es ist ein Geschenk, das Leben anzunehmen
Das Leben ist nicht immer einfach. Aber wenn ich aufhöre zu fliehen und beginne, wirklich anzunehmen, was ist, passiert etwas Magisches: Ich werde frei. Nicht frei von Herausforderungen oder Schmerz, aber frei, mein Leben zu leben – in seiner vollen Tiefe.
Dann muss ich nicht mehr davonlaufen, denn ich merke, dass ich alles, was ich brauche, schon in mir trage. Ich erkenne: Ich bin genug. So wie ich bin. Mit all meinen Ecken, Kanten und Wunden. Das Leben ist nicht mein Feind. Es ist mein Lehrer, mein Freund und mein Begleiter und es ist meine größte Liebesgeschichte.
Fazit: Ich bleibe bei mir
Ich kann dem Leben niemals entfliehen, weil es mein eigenes ist. Es ist ein Ruf nach mir selbst, nach Wahrhaftigkeit und Mut. Ich stelle mich ihm. Ich begegne ihm mit offenem Herzen, und ich werde erkennen, dass das, wovor ich so lange weggelaufen bin, oft der Schlüssel zu meinem Glück war.
„Wohin du auch gehst, geh mit deinem ganzen Herzen.“ – Konfuzius