Es gibt diese Momente, in denen ich mir ziemlich sicher sind, den besten Weg für jemanden anderen genau zu kennen. Ich sehen vielleicht seine Fehler oder haben diesen „guten Rat“ parat, der, natürlich, aus meiner Sicht perfekt passt. Manchmal greife ich dann subtil – oder ja, manipulativ – ein, um ihn in die „richtige“ Richtung zu lenken.
Doch ganz ehrlich: Ist das fair? Und vor allem: Ist das klug? Ich habe festgestellt, dass die einzigen Entscheidungen, hinter denen ich wirklich voll und ganz stehen kann, die sind, die ich selbst treffe. Alles andere fühlt sich unaufrichtig an, so als würde ich jemandem etwas aufzwingen, das ich selbst für richtig halte.
Der Konflikt: Verantwortung im Beruf und Nichteinmischung im Privaten
In meinen Projekten und dem Arbeitssumfeld ist es wahrscheinlich mein „Job“ (und manchmal mein Stolz), Entscheidungen zu treffen, die die Richtung vorgeben. Hier wird von mir erwartet, das große Ganze im Auge zu haben, klar und sachlich zu bleiben, und dabei auch noch die Bedürfnisse anderer mit einzubeziehen. Das kann dann schon mal der Fall sein, dass ich mich als „Entscheider“ sehe – sogar sehen muss.
Doch privat sieht es für mich ganz anders aus. Hier will ich auf keinen Fall der sein, der anderen sagt, was sie zu tun haben. Klar, ich könnte ihnen Ratschläge geben, und ich glaube, manchmal haben wir alle das Gefühl, eine Lösung für das Leben des anderen parat zu haben.
Doch seit geraumer Zeit, setzt sich bei mir die Erkenntnis durch, das es eine andere „Bildung,“ gibt. Eine Bildung, die wenn man so will – eine Art tiefe Weisheit ist, die nicht aus Büchern oder Kursen kommt. Diese Weisheit ist oft unausgesprochen, und manchmal habe ich das Gefühl, sie existiert fast in einem anderen Raum. Es ist nicht die Art Wissen, die ich in der Schule oder der Uni gelernt habe oder die mit einem Diplom daherkommt. Es ist das Wissen darum, dass jeder Mensch etwas in sich trägt, das ihm den Weg weist, wenn er nur auf sich hört. Es ist nicht wissenschaftlich erklärbar und vielleicht genau deshalb so wertvoll. Denn am Ende des Tages haben wir alle diesen inneren Kompass, auch wenn er manchmal von Unsicherheiten und Ängsten verdeckt wird.
Der Balanceakt zwischen Vertrauen und Verantwortung
Es ist ein Balanceakt. Ich gebe zu, dass es Tage gibt, an denen ich förmlich darauf brenne, jemanden mit einem gutgemeinten Ratschlag zu „erleuchten.“ Doch ich habe gelernt, dass das oft der Moment ist, in dem ich mich zurückhalten sollte. Manchmal merke ich sogar, dass meine „Ratschläge“ eigentlich nur der Ausdruck meiner eigenen Unsicherheiten sind. Und hier kommt wieder diese innere, schwer fassbare Weisheit ins Spiel. Sie sagt mir, dass jeder Mensch seine eigenen Antworten finden muss – und dass es nicht immer so klar ist, was „richtig“ und „falsch“ ist.
Also halte ich mich so gut es geht, im Privaten aber auch bei den Projekten bewusst zurück und vertraue darauf, dass der andere seine Entscheidungen selbst trifft. Das bedeutet nicht, dass ich ihm gleichgültig gegenüberstehe – im Gegenteil. Es bedeutet, dass ich Vertrauen in seine oder ihre eigene innere Weisheit habe. Ich übernehme natürlich Verantwortung, doch ich versuche mich zurückzunehmen, lasse Raum für Eigenverantwortung. Das hat viel mit Respekt zu tun, und ehrlich gesagt, sorgt es für entspanntere Beziehungen. Menschen spüren, wenn man ihnen Raum lässt, und dieses Vertrauen schafft letztlich eine tiefere Verbindung.
Der Wert der Eigenverantwortung und der inneren Weisheit
Am Ende läuft alles für mich ganz persönlich, auf eine zentrale Frage hinaus: Wer bin ich, zu behaupten, dass mein Blickwinkel der einzig gültige ist? Wer bin ich zu behaupten, ich hätte die Wahrheit gepachtet. Ist es nicht überheblich, anderen ihre eigene Entscheidungskraft abzusprechen?
Und ich bin überzeugt, dass jeder diese oft nicht beschreibbare Form der Bildung in sich trägt – ein Wissen, das man nicht erklären, sondern nur fühlen kann. Es ist sozusagen die Weisheit des Lebens selbst. Ich finde es unglaublich wichtig, dass jeder die Freiheit hat, aus dieser Quelle zu schöpfen. Wir haben in unserer Gesellschaft oft eine hohe Meinung von formaler Bildung, und ja, ich schätze das Wissen, das ich aus Büchern und Schulen erhalten habe. Doch diese andere Form des Wissens – die tiefe Weisheit – ist oft das, was wirklich zählt.
Fazit
Es gibt eine Freiheit, die ich mir und anderen zugestehe, und sie beginnt bei den Entscheidungen, die jeder für sich selbst trifft. Klar, es ist nicht immer leicht, „nichts zu tun,“ wenn man das Gefühl hat, zu wissen, was gut für den anderen ist. Doch indem ich bewusst darauf verzichte, Entscheidungen für andere zu übernehmen, lasse ich nicht nur sie los, sondern auch mich selbst. Beziehungen werden leichter, authentischer, und ich lerne, dass ich nicht immer alles wissen muss. So entsteht Raum für Vertrauen – Vertrauen in den anderen und in das, was man nicht in einem Buch finden kann. Und das macht das Leben letztlich erst richtig interessant.