„Opa, bist du nun ein Maya-Priester?“ – Eine Frage, die mich zum Nachdenken angeregt hat.
Manchmal stellen ja Kinder die einfachsten Fragen, die gleichzeitig intensive Gedanken auslösen. Während meines letzten Besuchs in Deutschland fragte mich meine kleine Enkelin mit ihrer gewohnten kindlichen Neugier: „Opa, bist du nun ein Maya-Priester?“ Diese Frage kam nicht aus dem Nichts. Wir schreiben zusammen Geschichten aus dem Maya-Kosmos. Sie sagt was in der Geschichte vorkommen soll und ich versuche das dann umzusetzen. Wenn ich ihr dann Abends eine der "fertigen" Geschichten vorlese, merke ich schnell ob die Geschichte gefällt oder nicht. Durch meine Arbeit, meine Reisen und die Rituale, die ich in Guatemala erlebe und teile, hat sie einen Einblick in meine Welt bekommen.
Die Frage traf etwas unerwartet – nicht, weil ich keine Antwort wusste, sondern weil sie mich dazu brachte, innezuhalten und zu reflektieren. Bin ich ein Maya-Priester? Die klare Antwort ist: Nein.
Warum nicht?
Nicht, weil ich mich schämen würde oder weil ich den Gedanken abwegig finde. Nein, es ist vielmehr eine Frage der Authentizität, des Respekts und vor allem der eigenen Berufung. Ein Maya-Priester zu sein, ist nicht einfach eine Rolle, die man annehmen kann. Es ist ein tief verwurzelter Weg, eingebettet in Jahrhunderte alte Traditionen, Überlieferungen und eine spirituelle Verantwortung, die ich zutiefst respektiere.
Die Maya-Priester, die ich kennenlernen durfte, und "Tata" der Guia Spiritual bei dem ich lerne, tragen nicht nur Wissen, sondern auch eine tiefe Verbindung zu ihrer Kultur, ihrer Gemeinschaft und der Natur in sich. Sie sind nicht nur Hüter von Ritualen, sondern auch Vermittler zwischen den Menschen und den kosmischen Energien. Das ist eine Lebensaufgabe, die weit über das hinausgeht, was ich in meiner Arbeit tue.
Mein eigener Weg
Die Frage meiner Enkelin hat mich jedoch auch dazu gebracht, über meinen eigenen Weg nachzudenken. Ich liebe es, in die Tiefe zu gehen, zu lernen, zu verstehen und Verbindungen zu schaffen – nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen. Mein Leben hier in Guatemala, die Zeremonien, die Begegnungen mit den Menschen vor Ort und das Studium der Maya-Kultur sind für mich keine Schritte in Richtung eines "Priesteramts". Es ist vielmehr mein persönlicher Weg, die Welt besser zu verstehen und meine Erfahrungen mit anderen zu teilen.
Die Arbeit mit dem Kakao, die Geschichten, die ich schreibe, die Projekte, die ich unterstütze – all das entspringt meinem Wunsch, Brücken zu bauen. Brücken zwischen Kulturen, zwischen Wissen und Erfahrung, zwischen Tradition und Moderne. Das ist mein Weg, und es ist ein Weg, der sich für mich authentisch anfühlt.
Authentisch eintauchen: Reisen in die Welt der Maya-Kultur
Aus dieser Verbindung heraus entstand die Idee, in Zukunft authentische Reisen anzubieten, die es anderen ermöglichen, auf respektvolle und ehrliche Weise in die Welt der Maya-Kultur und -Kosmovision einzutauchen. Diese Reisen sollen kein „Event“ sein, bei dem es um spektakuläre Rituale oder exotische Erlebnisse geht. Stattdessen wollen wir Raum schaffen, in dem echte Begegnungen und tiefes Verständnis möglich werden.
Es geht darum, die Kultur nicht durch die Brille eines Touristen zu betrachten, sondern sie direkt und unverfälscht zu erleben. Das bedeutet, den Menschen zuzuhören, ihre Geschichten zu erfahren und in ihren Alltag einzutauchen. Von der Arbeit in den Kakaofeldern bis hin zu den spirituellen und kulturellen Praktiken, die das Leben der Maya prägen, möchten wir Möglichkeiten schaffen, diese Welt kennenzulernen – ohne Brimborium, aber mit viel Respekt und Offenheit.
Was kann diese Reisen besonders machen?
- Direkter Kontakt zur Gemeinschaft: Wir arbeiten mit Menschen vor Ort zusammen, die bereit sind, ihr Wissen und ihre Traditionen zu teilen. Ob ein Gespräch mit einem Maya-Priester, die Teilnahme an einer traditionellen Feuerzeremonie oder das gemeinsame Zubereiten eines Essens – all dies geschieht in einem persönlichen, familiären Rahmen.
- Lernen statt Konsumieren: Diese Reisen sollen nicht darauf abzielen, „Erlebnisse zu konsumieren“. Stattdessen laden sie dazu ein, zu lernen und selbst Teil des Geschehens zu werden – sei es durch das Mitwirken bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten, die Teilnahme an Ritualen oder das einfache Zuhören bei Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
- Respekt vor der Kultur: Es ist uns wichtig, keine „Show“ zu inszenieren, sondern echte Begegnungen zu ermöglichen. Dies bedeutet auch, dass wir die Grenzen und Wünsche der Gemeinschaften respektieren, mit denen wir arbeiten.
- Einblick in die Kosmovision der Maya: Die Maya-Kosmovision ist ein komplexes und faszinierendes Weltbild, das sich auf den Einklang zwischen Mensch, Natur und Universum konzentriert. Unsere Reisen bieten die Möglichkeit, dieses Wissen aus erster Hand zu erfahren und zu verstehen – von den Ritualen bis hin zu den traditionellen Kalendern und Symbolen.
- Verbindung mit Kakao: Als ein zentraler Bestandteil der Maya-Kultur spielt Kakao eine wichtige Rolle. Von der Ernte bis zur Zubereitung und der Bedeutung in Zeremonien können Teilnehmer erfahren, wie tief Kakao mit der Kultur und Spiritualität der Region verwurzelt ist.
Die Bedeutung von Respekt
Eines ist mir hier in Santa Maria de Cahabon besonders wichtig geworden: der Respekt vor anderen Kulturen und Traditionen. Es wäre anmaßend, mich als Maya-Priester zu bezeichnen, weil ich nicht aus dieser Kultur stamme und diesen Weg nicht gegangen bin. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich weniger tief verbunden oder inspiriert bin. Es bedeutet, dass ich die Traditionen und ihre Hüter achte, ohne sie für meine eigenen Zwecke zu übernehmen.
Durch diese Reisen oder besser gesagt den Begegnungen, möchten wir einen Weg schaffen, wie wir alle voneinander lernen können – ohne kulturelle Aneignung, sondern durch Respekt, Dankbarkeit und die Bereitschaft, uns auf Neues einzulassen.
Die Antwort an meine Enkelin
Als ich meiner Enkelin antwortete, sagte ich: „Nein, ich bin kein Maya-Priester.“ Sie schaute mich neugierig an, und ich erklärte ihr, dass ein Maya-Priester zu sein etwas ganz Besonderes ist und dass es nicht meine Aufgabe ist, diesen Weg zu gehen. Stattdessen erzählte ich ihr, wie viel ich lernen darf und wie sehr mich die Geschichten, die wir gemeinsam schreiben, inspirieren. Ich sagte ihr, dass ich meinen eigenen Weg gehe – einen Weg, der mich glücklich macht und bei dem ich das teilen kann, was ich liebe.
Ihre Antwort? Ein einfaches Nicken.
Was bleibt
Die Frage meiner Enkelin war ein Geschenk. Sie hat mir geholfen, meinen Weg noch klarer zu sehen und mir bewusst zu machen, dass es nicht wichtig ist, welche „Rolle“ wir in den Augen anderer spielen. Wichtig ist, dass wir unseren eigenen Weg finden – einen Weg, der uns erfüllt und gleichzeitig respektvoll mit den Wurzeln und Traditionen anderer umgeht.
Mit den geplanten Begegnungen möchten wir diesen Weg auch für andere zugänglich machen. Wir möchten Menschen einladen, die Welt der Maya auf authentische und respektvolle Weise zu entdecken, ohne Brimborium, aber mit einem offenen Herzen und der Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Denn am Ende geht es darum, echte Verbindungen zu schaffen – zu anderen Kulturen, zur Natur und vor allem zu uns selbst.