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Eine Übersicht über den Maya Kalender

Der Maya-Kalender ist ein hochkomplexes System, das auf mehreren ineinandergreifenden Zyklen beruht (Tzolk’in, Haab’, Kalenderrunde und Long Count).
18. Januar 2025 durch
Corazon de Cacao - Andreas (Lix)
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Der Maya Kalender - Übersicht

Der Maya-Kalender ist ein hochkomplexes System, das auf mehreren ineinandergreifenden Zyklen beruht (Tzolk’in, Haab’, Kalenderrunde und Long Count). Diese Zyklen haben nicht nur eine praktische Funktion der Zeitmessung, sondern sind tief verwoben mit religiösen, mythologischen und gesellschaftlichen Strukturen der Maya-Kultur.

Bis heute fasziniert dieses System Archäologen, Epigraphiker und Laien gleichermaßen, zumal noch längst nicht alle Fragen zur absoluten Datierung oder zu den rituellen Details beantwortet sind. Gleichzeitig beweist die Weiterführung des Tzolk’in in Teilen der heutigen Maya-Bevölkerung die Lebendigkeit ihrer Tradition.

Der oft medial ausgeschlachtete „Weltuntergang“ von 2012 zeigt, wie stark das westliche Interesse an einer vermeintlich geheimnisvollen Hochkultur ist – ebenso aber auch, wie komplex und mitunter verfälscht die öffentlichen Vorstellungen von den tatsächlichen Überzeugungen der Maya sein können.

Überblick: Die Bedeutung des Kalenders in der Maya-Kultur

Der Kalender war für die Maya von zentraler Bedeutung und durchdrang alle Lebensbereiche: Religion, Landwirtschaft, Politik, Architektur und Astronomie. Die Zeitmessung war nicht nur eine praktische Notwendigkeit, sondern auch stark von kosmologischen und mythologischen Vorstellungen geprägt.

  • Ritueller Kontext: Bestimmte Tage galten als günstig oder ungünstig, sodass politische Akte, Opferzeremonien oder Kriege an spezifische Kalendertage gebunden waren.
  • Identitätsstiftung: Die göttliche Legitimation der Herrscher basierte auch darauf, dass sie Kalenderberechnungen vornehmen und wichtige Rituale am richtigen Tag durchführen konnten.

Hauptkomponenten des Maya-Kalendersystems

Im Kern besteht das Maya-Kalendersystem aus mehreren ineinandergreifenden Zyklen. Die wichtigsten sind:

  1. Tzolk’in (auch Tzolkin geschrieben):
    • 260-Tage-Kalender, bestehend aus 20 verschiedenen Tagesnamen (Glyphen) und 13 Ziffern, die zyklisch kombiniert werden (20 × 13 = 260).
    • Wird häufig als „Heiliger Kalender“ oder „Ritualkalender“ bezeichnet.
    • 260 Tage korrespondieren vermutlich mit landwirtschaftlichen Zyklen (z. B. Maiswachstum), astrologischen Beobachtungen oder menschlichen Gestationszeiten.
    • Heute noch in einigen Maya-Gemeinschaften für Wahrsagerei und religiöse Rituale in Gebrauch.
  2. Haab’:
    • 365-Tage-Kalender, auch „Sonnenjahr“ (Vage Jahr).
    • Unterteilt in 18 Monate zu je 20 Tagen (= 360) plus 5 „Unglückstage“ (Wayeb’).
    • Die 5 Extratage galten als unsicher und unheilvoll, weshalb in dieser Zeit oft keine wichtigen Entscheidungen getroffen wurden.
  3. Kalenderrunde (Calendar Round):
    • Eine Kombination aus Tzolk’in (260 Tage) und Haab’ (365 Tage).
    • Der vollständige Durchlauf beider Zyklen dauert 52 Haab’-Jahre (18.980 Tage), bevor sich das Ausgangsdatum exakt wiederholt.
    • Dieser 52-Jahre-Zyklus war einer der wichtigsten Zeitabschnitte für rituelle Erneuerungen.
  4. Long Count:
    • Ein System, um absolute Daten über sehr lange Zeiträume festzuhalten und historische Ereignisse exakt zu datieren.
    • Auf den Stelen (Steindenkmälern) der klassischen Maya-Städte (z. B. Tikal, Copán, Palenque) sieht man oft Long-Count-Daten eingemeißelt.
    • Basiert auf einer fortlaufenden Zählung von Tagen seit einem mythologischen Startpunkt: 0.0.0.0.0.
    • Nach der gängigsten Korrelation (GMT-Korrelation) ist dieser Startpunkt im Gregorianischen Kalender auf den 11. (oder 13.) August 3114 v. Chr. (proleptisch) datiert.
    • Die Notation im Long Count folgt dem Schema baktun.katun.tun.uinal.kin:
      • 1 Baktun = 144.000 Tage
      • 1 Katun = 7.200 Tage
      • 1 Tun = 360 Tage
      • 1 Uinal = 20 Tage
      • 1 Kin = 1 Tag

Mythologischer Hintergrund und Schöpfungsideen

Nach Maya-Mythen begann der aktuelle Weltzyklus an dem Tag 0.0.0.0.0. Zuvor soll es andere Schöpfungen gegeben haben, die jedoch zerstört wurden, weil sie unvollkommen waren. Dieser Mythos der wiederholten Schöpfung findet sich auch in anderen mesoamerikanischen Kulturen (z. B. Azteken).

  • Popol Vuh: Das heilige Buch der Maya-Quiché berichtet von der Erschaffung der Menschheit. Der genaue Bezug zum Kalender ist nicht wörtlich aufgeführt, aber der Zyklusgedanke findet sich auch hier in den Schöpfungsberichten (mehrfache Versuche der Götter, den Menschen zu formen).

Die wissenschaftliche Erforschung des Maya-Kalenders

Frühe Entdecker und Entzifferer

  • Bischof Diego de Landa (16. Jahrhundert): Verfasste „Relación de las cosas de Yucatán“ (1566). Obwohl er viel Wissen zerstörte (z. B. Maya-Codices), lieferte sein Bericht wichtige erste Einblicke in das Maya-System.
  • Joseph Goodman, Juan Martínez Hernández und J. Eric S. Thompson (GMT-Korrelation): Entwickelten die bis heute am häufigsten genutzte Methode, das Maya-Datum mit dem Gregorianischen Kalender in Beziehung zu setzen.
  • Tatiana Proskouriakoff, Linda Schele, David Stuart: Trugen maßgeblich zur Entzifferung der Maya-Hieroglyphen bei und ermöglichten damit ein tieferes Verständnis der Datierungen.

Die Korrelationen des Maya-Kalenders

Die größte Herausforderung bei der Datierung besteht in der exakten Zuordnung von Maya-Daten zu unserem heutigen (gregorianischen) Kalender. Es existieren mehrere Korrelationstheorien, von denen die GMT-Korrelation (Goodman-Martínez-Thompson) die verbreitetste ist. Alternativen wie die Lounsbury-Korrelation oder die Spinden-Korrelation führen zu Abweichungen von einigen Tagen bis mehreren Jahren.

  • GMT-Korrelation: Ordnet 13.0.0.0.0 dem 11. (oder 13.) August 3114 v. Chr. zu.
  • Hintergrund: Die Wahl basiert u. a. auf historischen Angaben in kolonialen Dokumenten (z. B. der Erwähnung des „K’atun 13 Ahau“) und astronomischen Ereignissen (Venuszyklen).

Neuere Forschung

  • Epigraphik und Archäoastronomie: Zeitangaben auf Stelen werden mithilfe von Laser- und 3D-Scans neu analysiert. Gleichzeitig helfen astronomische Berechnungen (Bezugnahme auf Venustransite, Sonnenwenden), um Datierungen zu kalibrieren.
  • Ethnografische Studien: Bei heutigen Maya-Gemeinden (z. B. in den guatemaltekischen Hochlanden) wird erforscht, wie der traditionelle Tzolk’in noch immer für Namensgebung, Rituale und landwirtschaftliche Praxis genutzt wird.

Aufbau und Funktionsweise des Long Count im Detail

Der Long Count ist ein additives Zahlensystem, das auf einer Mischbasis 20/18 beruht:

  • Die kleinste Einheit ist der Kin (= 1 Tag).
  • 20 Kin = 1 Uinal.
  • 18 Uinal = 1 Tun (An dieser Stelle weicht das System von der Basis 20 ab und nutzt stattdessen 18. Vermutlich, um näher an 365 heranzukommen, obwohl das nicht ganz sicher ist.)
  • 20 Tun = 1 Katun.
  • 20 Katun = 1 Baktun.

Damit ergibt ein Baktun:

1 Baktun=20×20×18×20=144.000 Tage≈394 Jahre1 \text{ Baktun} = 20 \times 20 \times 18 \times 20 = 144.000 \text{ Tage} \approx 394 \text{ Jahre}1 Baktun=20×20×18×20=144.000 Tage≈394 Jahre

Wenn man beispielsweise ein Long-Count-Datum 9.13.0.0.0 liest, bedeutet das:

  • 9 Baktun = 9 × 144.000 Tage
  • 13 Katun = 13 × 7.200 Tage
  • 0 Tun, 0 Uinal, 0 Kin
  • Gesamt: (9 × 144.000) + (13 × 7.200) = 1.296.000 + 93.600 = 1.389.600 Tage nach dem mythologischen Nullpunkt.

Der „2012-Hype“ und das Ende eines Baktun-Zyklus

Durch die populären Medien wurde das Datum 13.0.0.0.0 (Long Count) auf den 21. Dezember 2012 (bzw. 23. Dezember nach einer anderen Interpretation) festgelegt. Häufig wurde dies als „Weltuntergangsdatum“ missverstanden.

  • Faktisch: Die Maya sahen darin den Abschluss eines großen Zyklus (13 Baktun). Es gibt Inschriften, die eine Fortführung der Zeit über 13.0.0.0.0 hinaus andeuten.
  • Wissenschaftliche Sicht: Ein zyklisches Neuanfangen war normal und bedeutete keine Apokalypse, sondern eher einen rituellen Neubeginn bzw. eine Zeit für Zeremonien.

Archäologische Funde und Maya-Codices

Die schriftlichen Quellen zum Maya-Kalender sind selten, da die meisten Bücher während der Kolonialzeit zerstört wurden. Einige der wichtigsten überlieferten Codices:

  • Dresdner Codex: Enthält astronomische Tabellen (Venuszyklen, Mondphasen) und ist eine wichtige Quelle für die Funktion des Kalenders.
  • Codex Madrid, Codex Paris und der umstrittene Grolier Codex: Weitere erhaltene Maya-Schriftzeugnisse, die Einblicke in Ritualkalender, Prophezeiungen und Götterwelt geben.

Rolle von Astronomie und Mathematik

Die Maya kombinierten ihre Kalender mit ausgeprägten astronomischen Kenntnissen. Beobachtungen von Sonne, Mond, Venus und anderen Himmelskörpern waren in vielen Zeremonien und Datierungen verankert.

  • Venus-Tabellen im Dresdner Codex: Zeigen genaue Berechnungen von Sichtbarkeitsphasen der Venus.
  • Mathematische Fertigkeiten: Verwendung des Stellenwertsystems (Basis 20) und das Konzept der Null (im präkolumbischen Amerika eine Seltenheit).
  • Architektur: Tempelbauten wurden zum Teil so ausgerichtet, dass sie den Sonnenstand zur Tag- und Nachtgleiche oder zur Winter-/Sommersonnenwende markieren.

Heutige Bedeutung und Kontinuität

In einigen ländlichen Regionen Guatemalas, in Chiapas (Mexiko) und anderen Maya-Gebieten werden Tzolk’in und traditionelle Rituale nach wie vor praktiziert. Maya-Priester („Ajq’ij“ in K’iche’-Sprache) legen anhand des heiligen Kalenders rituelle Handlungen fest:

  • Namensgebung für Neugeborene
  • Erntezyklen (Maisanbau etc.)
  • Rituelle Kalenderlesungen: Bestimmung günstiger Tage für Ehe, Bauprojekte oder Reinigungszeremonien

Gleichzeitig haben moderne Maya-Gruppen ihr eigenes Verhältnis zur globalen Zeitrechnung entwickelt. In touristisch erschlossenen Regionen (z. B. Antigua Guatemala) findet man jedoch oft nur vereinfachte oder folkloristische Darstellungen des Maya-Kalenders.

Wichtige Forschungsarbeiten und Literatur

  1. J. Eric S. Thompson:
    • Maya Hieroglyphic Writing: Introduction (1950)
    • A Catalog of Maya Hieroglyphs (1962)
  2. Michael D. Coe:
    • The Maya (Erstausgabe 1966, zahlreiche Neuauflagen; dt.: Die Maya)
  3. Linda Schele & David Freidel:
    • A Forest of Kings: The Untold Story of the Ancient Maya (1990)
  4. David Stuart:
    • Arbeiten zu Maya-Epigraphik und dem Verständnis des Long Count; z. B. The Order of Days: The Maya World and the Truth About 2012 (2011)
  5. Anthony F. Aveni:
    • Skywatchers (2001) – zur Astronomie der Maya und anderer mesoamerikanischer Kulturen
  6. Tatiana Proskouriakoff:
    • Pionierarbeiten zu historischer Chronologie, z. B. Historical Implications of a Pattern of Dates at Piedras Negras, Guatemala (1950er Jahre)
  7. Floyd Lounsbury:
    • Arbeiten zur Korrelation des Maya-Kalenders mit astronomischen Daten; unterschiedliche Ansätze zum GMT

Corazon de Cacao - Andreas (Lix) 18. Januar 2025
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