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Mist, ich bin doch kein Heiliger

Erlebnisse am Lago Atitlan
12. März 2025 durch
Corazon de Cacao - Andreas (Lix)
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Kaffee, Eier und ein Gespräch über Parallelwelten

Heute Morgen um sieben. Ich schleppe mich in die Küche, noch halb im Schlaf, will mir einen Kaffee machen – und stelle fest: Die Kanne ist leer. Jemand war schneller.

Draußen auf der Terrasse sitzen zwei Dänen, frisch und fröhlich, mit Tassen in der Hand.

„Oh, war das dein Kaffee?“

„Jep.“

„Oh… wir dachten…“

„Alles gut – ich nehm stattdessen zwei von euren Frühstückseiern.“

Wir lachen, und so beginnt unser Gespräch.

„Andreas, findest du den Lago Atitlán nicht irgendwie komisch?“

„Komisch? Wieso?

„Gestern waren wir in San Marcos. Und es war so… offensichtlich. Die Maya bedienen, reparieren, bauen. Die Europäer chillen, lassen sich bedienen – und reden über die Ungerechtigkeit der Welt.“

Ich nicke zustimmend. „Ja, willkommen im Biotop Atitlán. Hier sieht man die Welt im Miniaturformat – und wie sehr Menschen versuchen, sich mit den Unterschieden zu arrangieren.“

„Wie meinst du das?“

„Na ja, der Unterschied ist unübersehbar. Die Europäer wohnen unten am See in schicken Häusern, teils Villen artig, die Maya oben in den Hügeln in eher bescheidenen Häusern. Das fühlt sich natürlich für viele nicht gut an.

Und damit man damit gut leben kann, hilft es ja, sich selbst erzählen, dass man etwas Gutes tut.

Deshalb gibt es hier so viele Projekte: Müll sammeln, Hunde kastrieren, kostenlose Kakaozeremonien für Maya. Nicht dass es wirklich in Arbeit ausartet, aber immerhin. Denn "Good Doing" beruhigt das eigene Gewissen.“

Wird man dann so zynisch wie du, wenn man hier lebt?

Ich lebe ja nur im Moment hier und ich meine das nicht zynisch, sage ich. „Aber für mich ist es ist faszinierend zu spüren, wie sich Menschen (mich eingeschlossen) ihre eigene Realität zurechtlegen – in Guatemala genauso wie in Europa.

In Deutschland leben wir ja auch in völlig unterschiedlichen Welten, obwohl wir Tür an Tür wohnen. Man sieht es nur nicht so deutlich wie hier.“


Das Gespräch stockt. Und während ich gemütlich meine zwei Eier esse, , frage ich mich: Wie oft erzählen wir uns Geschichten, um unsere Welt zu erklären – und zu ertragen?


Ich schreibe das hier nicht, um eine Debatte zu starten. Sondern weil mich diese Begegnung heute Morgen einfach inspiriert hat. Das Gespräch hat mich nachdenklich und auch demütig gemacht. In Wahrheit bin ich nämlich ja nicht so ein Heiliger, wie ich mir das manchmal einrede...


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Corazon de Cacao - Andreas (Lix) 12. März 2025
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